Psychogene Gehstörungen
als Konversions-Merkmal bei Analerotikern
1. Auf Grund der Beobachtung an dem Krankenmaterial in meiner psychoanalytischen
Praxis kam ich zur Feststellung, dass die psychogenen Gehstörungen
mit den analerotischen Regungen der Kranken kausal eng verbunden sind.
Die Gehstörungen nehmen verschiedene Formen an: Lähmungserscheinungen,
Platzangst, Ischias und Rheumatismus.
Diese Organneurosen verdanken ihre Entstehung nicht grade
dem Wunsche, durch ärztliche örtliche Behandlung an den Beinen
(Beschauung, Betastung, Massage) den geheimen libidinösen Regungen
eine Ersatzbefriedigung zu finden; (- allerdings so ein Wunsch kann manchesmal
die Konversion noch besser fixieren). Manche Kranken haben vor der Analyse
eine oder mehrere physikalische Behandlungen durchgemacht, die anderen
aber haben sich wegen ihrer Gehstörungen oder auch wegen anderer
psychogenener Leiden in die psychoanalytische Behandlung begeben, ohne
sich vorher irgendwelchen örtlichen Manipulationen unterzogen zu
haben.
In der engen Verbindung dieser beiden Erscheinungen (psychogene
Gehstörungen und Analkomplex) ist ein konstanter Konversions-Mechanismus
zu erblicken. In den weiter angeführten Beispielen werde ich mich
bemühen, diese Behauptung zu bekräftigen.
2. Der Schmerz tritt oft an die Stelle der Lust, er ersetzt
die Lust, er fehlt auch nie in der Steigerung der Lust. Dies ist doch
der Ursprung des Sado-Masochismus. So ist auch der Schmerz oder das Krankheitsgefühl
in den Beinen ein Ersatz für ein Lustgefühl in diesen.
3. Wenn ein Teil des eigenen Körpers (schmerz- oder)
lustbetont ist, dann ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch
der gleiche Körperteil des Partners libidinöse Anziehungskraft
auf den Betreffensind, gleichzeitig ein Fuss- oder Beinfetischist.
4. Der Homosexuelle ist nicht immer Päderast; jedoch
beide haben eine libidinöse Fixation an die Beine, die bis zu einem
Fetischismus steigen kann. Dass die bewusst Homosexuellen oft nur in Berührung
der Beine des Objektes ihre höchste Befriedigung finden, ist eine
bemerkenswerte Tatsache.
5. Es ist verständlich, dass grade die den beiden
Geschlechtern gleichen Körperteile bei der Entstehung auch des unbewussten
homosexuellen Triebes eine besondere Rolle spiele. Es bleibt aber die
Frage zu beantworten, warum grade die Beine (wohlgeformte Waden, schmale
Knöchel) - und nicht z. B. die Arme - die homosexuelle Neigung in
höchstem Grade fixieren.
. . . und Freud meinen, dass ursprünglich der Schweissgeruch
der Füsse diesem Körperteil die libidinöse Bedeutung verliehen
hat. Der Autor dieser Arbeit ist der Meinung, dass die sexuelle Bewertung
der Beine wahrscheinlich in einer früheren Periode der Entwicklung
der Arten zu suchen und zu finden ist. Es war eine Zeit, wo die hinteren
Extremitäten, nicht in Leder gehüllt, vermutlich nicht mehr
als die vonderen Extremitäten Schweiss absonderten, und demnach nicht
wegen des Schweissgeruchs sondern wegen ihrer anatomischen Lage den sexuellen
Ueberwert besassen.
Bei den Tieren, bei denen eines das andere besteigt,
sollen die hinteren Extremitäten besonders anreizend wirke; in ihnen
soll auch gleichzeitig die libidinöse Vorlust ihre vorberitende Aktion
vollziehen. Aus dieser Besteigungsperiode behielt der Homo sapiens die
besonders Wertung der Beine.
Gleichdem ist aus der Besteigungsperiode beim verfolgten
Weibe das sekundäre Geschlechtsmerkmal der Haare am Nacken, beim
verfolgenden Manne am Gesicht (Bart) auch bis zu unserer Zeit übergeblieben.
Der Verfolger konnte seine Beute von hinten erkennen, die Verfolgte konnte
beim sich umdrehen das Geschlecht des Mannes besser wahrnehmen. Es war
eine grosse geistige Revolution, als der Mann, im Unterschied von dem
Tier, das von hinten auf das Weibchen steigt, sich Gesicht zu Gesicht
zum Weibe wandte.
Sprechen von Gehstörungen, so wollen wir noch eine
Betrachtung zufügen, die über das Aufstellen des Menschen etwas
Licht werfen könnte. Bessere Möglichkeiten im Kampf ums Dasein
waren der Stimulus. Die Inanspruchlichen der vorderen Extremitäten
zum Zeichengeben in der vorsrpachlichen Periode (wie die Taubstummen sich
verständigen) hat an dem Prozess des Aufrechtgehens des Menschen,
wie ich denke, beigetragen. Ebenfalls diente dazu, meine ich, die exibitionistische
Regung. Auch das Weib konnte beim Aufstehen ihren Ersatz - den Busen genügend
hervorstellen. Die Scham, sagt Freud, wurde beim Aufrechtstehen des Menschen
zum ersten Mal empfunden; ich will behaupten, dass primär das Gegenteil
der Scham wirkte - der Exibitionismus, der dem Menschen sich aufzustellen
mithalf. Und erst zu der Freude sich zu zeigen gesellte sich die Scham
als die Komponente dieses ambivalenten Gefühles.
* * *
Hier haben wir in gedrängter Form einige Gedanken
ausgesprochen, die die philogenetischen Wurzeln dieses auf den ersten
Blick unverständlichen Zusammenhangs zwischen den Gehstörungen
und der analen Begierde, wir würden sagen analer Angat
aufdecken.
Wir gehen zu dem praktischen Teil dieser Arbeit über
und wollen an einer Zahl von Beispielen, die auch vermehrt werden könnte,
den obenerwähnten Zusammenhang illstrieren.
Bei den hier mitgeteilten Fällen waren keine organischen
Beschwerden an den Beinen wie Coxitis, Pes plana, Krampfadern, Luxationen,
Podagra zu finden, auch keine bachweisbare Neuritis festzustellen.
Wir werden versuchen die hier vorgebrachten Fälle
in Kürze - wie weit es der Zweck unserer Darlegung erlaubt - zu berichten.
Fall 1. Ein 28 jähriger Akademiker erscheint hinkend
in der Ordination, gestützt auf Stöcke: ein Rheumatismus
der beiden Beine zwingt ihn dazu.
Die Meinungen der Aerzte waren allerdings verschieden.
Es war drei Jahre zurück, dass er eine Dysenteris bekam, und eine
Woche später die Beinschmerzen. (Jeden Sommer bekommt er Dysenterie).
Ein Arzt meinte, es konnten Toxine der Krankheit im Körper geblieben
sein. Die Schmerzen sind besonders stark in den Muskeln und um rechten
Knie. Bäder, Massage blieben ohne Einfluss. Ebenso Elektrotherapie.
Schliesslich kann der Kranke nicht einmal mehr den Weg vom Haus bis zur
Droschke vor der Tür machen. In Tiberias nahm er Bäder in der
warmen Quelle. Seine Schmerzen wurden nur grösser. Neuralgie, Ischias,
Podagra, Rheumatismus wechselten die Diagnosen. Er hörte auf sich
zu bewegen und wurde bettlägerig. In Verzweiflung wollte er Suicid
begehen.
Schliesslich erkennt ein Arzt in der Krankheit die Neurose.
Der Kranke ist das jüngste Kind in seiner Familie; er lebt als Junggeselle
in seinem Vaterhause. Als Kind wurde er fast täglich von seinem Vater
auf den Podex geschlagen. Bis zum zwölften Jahr schlief er bei seinen
Eltern oder mit seiner Schwester in einem Bett. Als 10 jähriger Jungle
reinigte er sich nach der Defäkation nicht mit Papier sondern mit
einem Finger. Mit sechzehn Jahren hatte er homosexuellen Verkehr verbunden
mit Fellatio.
[One page missing.]
Fall 2. Ein 29 jähriger Künstler, ein charmanter
Levantiner, erscheint in Begleitung seiner Mutter, einer alten vertrockneten
Frau. Er ist unfähig sich allein ohne Begleitung auf der Strasse
zu bewegen oder auch nur zu bleiben. Wenn er zu seiner Braut zum Rendezvous
fährt, begleitet ihn die Braut erscheint.
Auch eine Strecke von fünf Metern kann er unmöglich
allein durchgehen. In Begleitung ist er auch nur ganz kleine Wege zu gehen
fähig. Zu der Behandlung fährt er mit der (? - Eine ausgesprochene
Platzangst verbunden mit Angst vor) Mutter auf einer Droschke.
Er hat einen kompensierten Vitum Cordis mit einem lauten
Klappengeräusch; dies organische Leiden aber steht gänzlich
im Hintergrund seiner psychogenen Beschwerden, die allein er beklagt.
Auch er ist der jühgste. Sein Vater ist tot. Bis
zu seinem 17sten Jahr schlief er in einem Bett mit seiner um sehn Jahre
alteren Schwester und weiter drei Jahre schläft er zusammen mit seiner
Mutter. Er gibt auch unter Widerständen an, dass er einige Mal einen
Anusverkehr mit seiner Schwster und einen Anusverkehrversuch mit seiner
Mutter, die beide, wie es ihm schien im Schlafe waren, unternahm. Die
Mutter wies ihn, als ob im Schlafe gestört, ab, liess ihn aber such
wieter das Lager mit ihr teilen. Es passiert auch noch jetzt, dass em
mit der Mutter in einem Bett schläft er lässt sich auch von
ihr beim baden helfen.
Sein sexuelles leben ist das eines levantiners: eniges
fehlt dort. Im 5-6 Lebensjahr Homosexueller Verkehr mit seinem älteren
Bruder, seinerseits passiv. Kleine Mädchen versuchten ihn zu verführen,
dasgleiche versuchten die Stubenmädchen. Im Alter zwischen 7 und
9 Jahren wurde er von einem Araber als Lustknabe im päderastischen
Verkehr ausgenutzt. Mit zehn Jhren trieb er Sodomie mit Hühnern,
mit 15 Jahren richtete er einen Hund ab, ihm den Penis zu lecken. An Prostituierten,
die er zuerst mit vierzehn Jahren besuchte, führte er in späteren
Jahren Fellatio und päderastische Akte aus, sie ihm Anilingus.
Er fuhr zur Ausbildung als Kümstler ins Ausland,
erkrankte aber bald an einer Darmaffektion und rief telegraphisch seine
Schwester zu sich. So wurde eine Künstlerlehrzeit abgebrichen. In
seiner Lehrtätigkeit verführt er seine Schülerinnen, kleine
halbwüchsige Mädchen.
Ueber seine onanistischen Akte schreibt er unverhüllt
an seine Schwester. Wenn er onaniert führt er gleichzeitig einen
Finger in den Anus.
Vor dem Auftreten als Künstler gat er ein starkes
und wiederholtes Bedürfnis zur Darmentleerung. So we auch die vermeintliche
Dysenterie im vorigen Fall müssen wir die verschiedenen Darmbeschwerden
in seiner Geschichte als analerotisches Symptom verstehen. Eine gleiche
Störung trat auch während der Behandlung in der Phase des Widerstahdes
auf.
Im Anfang der Behandlung heiratet er, oder richtiger
seine Braut, ein Mädchen mit entschlossenem Charakter heiratet ihn,
und die Mutter fährt weg. Er bleibt bei seinem Bruder, schläft
neben ihm, lasst die Frau im anderen Zimmer schlafen. Der Bruder lässt
sich von ihm bedienen; er muss dem Bruder den Kaffee bereiten, weil er
ihm nur aus seinen Händen schmeckt. Der Bruder malträtiert ihn
und es kommt öftera zu Prügeleien zwischen ihnen. Einmal bekam
die Mutter, als sie noch zusammen wohnten, eine blutende Wunde an der
Schläfe von meinem Patienten, der mit seine Schun nach dem Bruder
zielte. Dann kommt es zu Lieblosungen zwischen den Brüdern. Des Morgens
pflegt er seinem Bruder seine Genilatien zu zeigen. Dieser unverheiratete
um eine Jahre ältere Bruder, der ihn aus unbewussten homosexuellen
Motiven der Frau nicht abtreten wil, malträtiert auch die Frau der
Frau nicht abtreten will, malträtiert auch die Frau; schliesslich
weist er sie, sie ist schwanger, aus dem Hause und will dem Hause und
will den Bruder bei sich behalten.
Der Patient färbt sich die Lippen, (vermullich,
da sie öfters bläulich aussehen: vitium cordis), er parfümiert
sich und trägt auffallend bunte Henden.
Mit seiner Frau führt er trotz ihres Widerstrebens
Analakte aus.
Die Uebertragungsphantasien in der Analyse, wie sie in
den Träumen wiedergegeben sind, habne einen ausgesprochenen und unverhüllten
päderastischen Charakter.
Den infantilen Charakter dieses Kranken erblickt man
nicht nur in der Betonung der Oral- und Analzonen, besonders der letzteren,
sondern auch in der Wahl der Neurosenform - der Platzangst - nach den
kindlichen Remineszenzen von getragen und gefahren werden.
Gefragt welches Buch auf ihn besonderen Eindruck machte,
nennt er: Cercle de la famille . Er befindet sich zu Anfang
der Behandlung im verhängnisvollen Kreise seiner Familie, er ist
in die psychoinfantile Situation verstrickt.
Das Infantile ist das Gemeinsame der analerotischen Regungen
und der Gehstörungen dieser Kranken. So ist die infantile Regression
der Verbindungsring in den Zusammentreten der Gehstörimgem und der
Analerotik. Dies ist der ontogenetische Zusammenhang.; über den philogenetischen
sprachen wir in dem theoretischen Teil dieser Arbeit.