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Über die Energetik der Psyche und
die physikalische Existenz der Gedankenwelt

Ein Beitrag zur Psychologie des gesunden und somnambulen Zustandes.

Von

Dr. med. Immanuel Velikovsky
(Mount Carmel, Palestine).

(Eingegangen am 14. Januar 1931.)

Ich empfinde es als eine Art Verpflichtung, dem Wunsche des Herrn Kollegen Velikovsky um ein Geleitwort zu seiner Arbeit über die Theorie der parapsychischen Phänomene zu entsprechen. Aus einem Wust von Aberglauben, Selbsttäuschung und Betrug sind ja nun Tatsachen herausgehoben worden, bei denen bis jetzt die sog. natürlichen Erklärungen glatt versagten, und diese Tatsachen sind zahlreich genug, um die Wissenschaft zuverpflichten, sie endlich einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen. Dazu ist ein Versuch, sie in einen denkbaren Zusammenhang mit den bekannten Naturgesetzen zu bringen, gewiß sehr nützlich; er kann nicht nur anregend wirken, sondern auch die der Wissenschaft unwürdige Scheu vor der Bearbeitung eines neuartigen und merkwürdigen Gebietes überwinden helfen.

Des Autors Ideen scheinen mir sehr der Beachtung wert. Ich selber bin von mir aus auf ganz ähnliche, in wesentlichen Teilen geradezu identische Vorstellungen gekommen, wenn ich auch nicht alle Einzelheiten unterschreiben kann.

Wenn die Arbeit nur dazu beiträgt, daß man über diese Dinge sprechen darf, ohne als verrückt oder wenigstens minderwertig zu gelten, so leistet sie der Wissenschaft einen Dienst, ganz unabhängig davon, wieviel späterer Forschung stand halten wird.1

Zollikon, Zürich, 18. 7. 1930.

Prof. E. Bleuler.

“... the science which will occupy the
summit of the hierarchy of human knowledge,
the science of  thinking  matter and energy ... ”
A. Carrel.

I.

1. Um irgendeine Erscheinung wahrnehmen zu können, ist es nötig, daß diese Erscheinung auf unseren Nervenapparat wirkt, indem sie irgendwelche Energien aussendet (z. B. die Lichtenergie der Sonnenstrahlen), oder eine solche verändert, die von einem anderen Phänomen ausgeht (z. B. das Empfinden von Farbe bei einem farbigen Stein, dessen Farbe jedoch nur eine Auswahl aus der Strahlungsenergie der Sonne ist).

2. Da es unmöglich ist, sich vorzustellen, daß die Nervenleiter wie mechanische Werkzeuge funktionieren, z.B. wie Hebel, so besteht nur eine logische Möglichkeit, nämlich: Daß die Energie, die auf die Sinnesorgane wirkt, ebenfalls eine Energie in den Nervenleitern auslösen muß, damit diese die Reizungen der Sinnesorgane zum Sensorium bringen.

3. Die Energie in den Nervenleitern kann nur eine transformierte sein. Es ist nicht denkbar, daß ein Lichtstrahl, ohne transformiert zu sein, seinen Weg durch die Nervenleitor nehmen könnte. Die Energie in den Nervenleitern werden wir Nervenenergie nennen.

4. Nicht jede Energie der Außenwelt kann in Nervenenergie transformiert werden. So können z. B. die Schwingungen der elektrischen Energie oder die Wirkung des Magnetfeldes nicht durch unsere Sinnesorgane aufgenommen werden. Die Aufnahmemöglichkeit unserer Sinnesorgane erstreckt sich nur auf einen Teil des Kosmos. Man kann die Sinnesorgane vergleichen mit einigen Fernrohren, die nur auf einzelne, immer gleiche Ausschnitte des Sternenhimmels gerichtet sind.

5. Es ist klar, daß auch außerhalb der Grenzen des mit Hilfe der Sinnesorgane Erkennbaren noch eine ganze Welt von Erscheinungen existiert. Künstlich geschaffene Transformatoren (z. B. eine Glühlampe, welche die Schwingungen der elektrischen Energie in Schwingungen der Lichtenergie umwandelt), vergrößern die Sphäre des Erkennbaren (darin besteht auch das größte Eroberungsfeld des technischen Fortschritts). Aber die Grenzen der Aufnahmefähigkeit unserer Sinne werden dadurch nicht erweitert. Wir werden im folgenden diejenigen Sphären der Außenwelt, auf die unsere Sinnesorgane unmittelbar eingestellt sind, Zonen der Sinnesorgane oder Empfindungszonen nennen.

6. Die ganze Umwelt, auch unser eigener Körper, alles, was mit Hilfe der Sinnesorgane wahrgenommen wird, sind nur Phänomene, die durch steigende oder sinkende Schwingungszahl ihrer Energien2, oder durch Transformierung einer Energieart in eine andere, die Grenzen der Empfindungszonen erreicht haben und in diese eingetreten sind. Man müßte sich eigentlich wundern über die relative Stabilität der Dinge um uns herum, infolge welcher diese nicht ohne weiteres aus der Welt der Wahrnehmung herausfallen, d. h. sich nicht dematerialisieren. Allerdings ist die Mehrheit der Dinge für unsere Sinne teilweise dematerialisiert (nicht materialisiert): Ein Körper, der nicht tönt, weil die Zahl seiner Vibrationen unter der Zahl liegt, die von unserem Gehör noch empfunden werden kann, ist für unser Gehör dematerialisiert (nicht materialisiert). Etwas nicht Tastbares, z. B. Strahlenenergie ist dematerialisiert für unseren Tastsinn usw.

7. Die Nervenleiter3 in ihrer Eigenschaft als “innere Transformatoren” haben spezifische Transformationsvermögen: Ein- und dieselbe Energie wird mit Hilfe von verschiedenen Sinnesorganen als verschiedene Wahrnehmungen empfunden. So sind die Lichtstrahlen (z. B. der gelbe Teil des Spektrums) gleichzeitig auch Wärmestrahlen. Dieselbe Energie wird durch die einen Nerven als Licht, durch die anderen als Wärme empfunden.

Theoretisch könnte man sich vorstellen, daß andere Sinnesnerven dieselbe Energie noch auf eine dritte, uns unbekannte Art aufnehmen könnten. Ist nicht vielleicht die Chlorophyllbildung in den Pflanzen die Folge einer spezifischen Sinnesempfindung der Sonnenstrahlen ?

Folglich können die Zonen der Empfindungen der verschiedenen Sinnesorgane teilweise zusammenfallen (die Sehnerven und die Wärme-nerven empfangen dieselben Sonnenstrahlen), aber die Transformation der Energien ist spezifisch für die verschiedenen Sinnesorgane.

Es ist selbstverständlich möglich anzunehmen, daß die Verschiedenheit der Empfindungen auf dem spezifischen Bau der Gehirnzentren der Sinnesorgane beruht. Aber indem wir die Zentren als die letzten Abschnitte, d. h. Endigungen der Nervenleiter betrachten, so ist die Spezifität der Zentren zugleich doch diejenige der Nervenleiter als ganzes.

8. Umgekehrt ist es auch denkbar, daß verschiedene Arten von Energien durch verschiedene Sinnesorgane in ein- und dieselbe Empfindung transformiert werden könnten. Damit könnte man die Illusionen (Sinnestäuschungen) erklären (die Energie A, die transformiert wird mit Hilfe des Transformators B und bis zum Sensorium kommt als A*B, wird in ihrer Wirkung gleich sein der Wirkung der Energie A/n, die durch den

Transformator B*n, d. h. durch ein anderes Sinnesorgan durchgeleitet wurde: (A*B*n)/n = A*B)

Daß dieselbe Wärmeempfindung durch Reibung und Strahlung entstehen kann (was noch problematisch erscheint), mag auch in dießen Zusammenhang gehören.

9. Nicht bewiesen, aber auch nicht bindend für die weitere Entwicklung unserer Theorie ist folgende Hypothese: Es ist nicht ausgeschlossen, daß alle Empfindungen, von verschiedenen Sinnesorganen Resultate ein- und dergelben Nervenenergie in verschiedenen Abstufungen sind. Farben-, Wärme-, Klang- und Tastempfindungen sind möglicherweise Stufen ein- und derselben Nervenenergie. Zwischen diesen können viele andere liegen, die wir jedoch normalerweise nicht empfinden.4

10. Es ist wohl bekannt und kaum nötig hinzuzufügen, daß die Grenzen der Empfindungszonen der Sinnesorgane bei den einzelnen Individuen verschieden liegen (z. B. kann ein Individuum hohe oder tiefe Töne wahrnehmen, die ein anderes nicht mehr hört). Sogar jedes der Doppelorgane hat meistens verschiedene Grenzen der Empfindungszonen. Es besteht kein Grund zu bestreiten, daß bei irgendwelchen Lebewesen Fähigkeiten vorhanden sind, Energiearten oder Energiestärken zu empfinden, die von Menschen nicht empfunden werden können. So könnten manche Fälle von scheinbarer Intuition bei Tieren durch das Empfangen von Wellen besonderer Stärke oder Länge bedingt sein.

Das Beispiel der Tiere, die vor Erdbeben fliehen, legt die Vermutung besonders nahe, daß diese Intuition an irgendwelche physikalische Vorboten der kommenden Erscheinungen gebunden ist, welche Vorboten von den Menschen oben nicht empfunden werden.

II.

11. Wie die Sinnesempfindungen, so ist auch die psychische Tätigkeit—Assoziationen, Vorstellungen—ein Energie-Prozeß (psychische Energie). Eine Energie der Außenwelt, die auf die Sinnesorgane wirkt, wird nicht aufgehoben, sondern transformiert. Auch die transformierte Energie der Nervenleiter (die die Trägerin der Empfindungen ist), wird nicht aufgehoben. Der Prozeß des Denkens ist ein Prozeß der Umwandlung der Nervenenergie (die von äußeren Reizen kommt) und der Energie dor Gehirnzellen. Kurz: Energien werden nicht in Nichts aufgelöst. Der Prozeß des Denkens ist ein Prozeß der Umwandlung oder der Transformation, der Bildung einer neuen Energieart. Psychische Energie ist nach Herkunft und Richtung unterschieden von der Nervenenergie, die zentripetal ist. Es ist aber eine Bedingung der normalen psychischen Tätigkeit eines Individuums, daß Nervenenergie und psychische Energie adäquat sind, d.h., daß einem bestimmten Reiz eine bestimmte Wahrnehmung entspricht.

12. Ein Gedanke hät also die physikalische Existenz der Energie. Er existiert objektiv. Funktion und Inhalt eines psychischen Prozesses sind untrennbar.

13. Mit anderen Worten: Der Akt des Denkens ist sozusagen ein schöpferischer. Nicht nur das Sonnenlicht, auch gedachtes oder vorgestelltes Licht hat objektive Existenz. Gemeinsam ist dem gedachten Licht und dem Sonnenlicht als energetischen Prozessen die Objektivität des physikalischen Daseins, und da wir von den wirklichen Eigenschaften der äußeren Welt nicht mehr wissen als unsere Empfindungen uns mitteilen5, so ist im energetischen Sinne die empfundene und zum Bewußtsein gekommene Außenwelt gleich der Vorstellung von ihr. Mit anderen Worten: Wahrnehmung und Vorstellung sind im energetischen Sinne gleich. Das gedachte Licht hat dieselben energetischen Eigenschaften wie das Sonnenlicht, nachdem es in den Nervenleitern die Transformationsänderungen durchgemacht hat. In dieser transformierten Form kann es nicht mehr auf die Sinnesorgane eines anderen Individuums wirken. Würde es aber direkt in den Empfangsnervenapparat (Sensorium) eines anderen Individuums gelangen, so könnte wohl auch in diesem eine Lichtempfindung entstehen. Für ein Individuum, das sich ein Licht vorstellt, sind die physikalischen Eigenschaften dieses Lichtes als Vorstellung in seinem Gehirn ganz identisch mit den physikalischen Eigenschaften des Lichtes, das durch die Nervenleiter aus der Außenwelt ins Sensorium gekommen ist.

14. Die Frage des Determinismus wurde sich in diesem Zusammenhang so stellen: Kann die Einwirkung der Nervenenergie N und die Energie der Gehirnzellen C die Existenz nur einer einzigen psychischen Energie P ergeben oder auch anstatt P: P1, P2, P3 oder Pn? Im letzteren Falle bliebe Raum für die Freiheit der Vorstellung und des Willens. (Die psychische Energie können wir uns aus den reinen Assoziations-prozessen, der Vorstellung und der Energie der Motornerven, dem Willen zusammengesetzt denken.)

15. Da wir zu dein Schluß gekommen sind, daß das Denken ein energetischer Prozeß ist, so bleibt für dessen nähere Bestimmung die logische Forderung, daß die Eigenschaften der psychischen Energie Raum lassen auch für das Phänomen der Telepathie, die experimentell bewiesen ist6. Das heißt, die psychische Energie muß eine Energie sein, die imstande ist, auf Distanzen zu wirken. Eine solche Eigenschaft ist in größerem oder kleinerem Maße den Energien allgemein.

16. Theoretisch könnte Telepathie auch dann erklärt werden, wenn die psychische Tätigkeit nicht durch sich ausbreitende Energie zustande käme, sondern wenn man eine kosmische Strahlung7 voraussetzen würde, in welcher die psychische Energie als Unterbrechung wirkte (ähnlich dem Unterbrechen im Apparat von Morse).
Für die bisherigen und folgenden Betrachtungen besteht darin kein prinzipieller Unterschied. Im einen wie im anderen Falle ist die psychische Energie eine physikalische Größe im Kosmos.

17. Man muß sich darüber klar sein, daß ein Individuum eigentlich der Telepath seiner eigenen Empfindungen ist, d. h. fähig ist, einen Kontakt zwischen seinem Sensorium (Zentralsendungsapparat) und seinem Assoziationszentrum (Empfangsapparat) Zuschaffen. Die beiden Zentren im energetischen Sinne müßen genau korrespondieren (Satz II). Das ist die Voraussetzung des ungestörten Bewußtseins.

18. Eine Nichtübereinstimmung beider Zentren würde eine psychische Abnormität des Bewußtseins zur Folge haben. Damit wird auch die auf den ersten Blick unerklärliche Erscheinung des Vorherrschens von Illusionen (Sinnestäuschungen) im Bilde psychischer Krankheiten verständlicher.

Dieser Zusammenhang wird noch evidenter durch die Ausführungen in Abschnitt 8.

19. Nach allem Gesagten ist es richtiger, die Frage nicht so zu stellen: Existiert eine natürliche Möglichkeit der Telepathie? Sondern: Warum ist Telepathie nicht eine allgemeine Erscheinung und was verhindert, daß die psychische Energie eines Subjektes vom Nervenzentrum eines zweiten Subjektes immer empfangen wird? Logisch könnte man sich vorstellen:

l) Daß eine bestimmte Differenzierung in den Eigenschaften der psychischen Energie der verschiedenen Persönlichkeiten besteht, und daß infolge dieser Differenzierung ein Individuum nicht imstande ist, die Energie, die von einem zweiten gesandt wird, zu empfangen.

2) Oder daß die psychische Energie gewöhnlich nicht genügende Durchdringungskraft hat, um von einem anderen Individuum empfangen zu werden, sondern dieses nur erreicht unter dem Eindruck von Affekten.

Der Einfluß von Affekten bei Gedankenübertragung ist jedenfalls außer Zweifel. Die telepathischen Spontanfälle sind meistens verbunden mit Affekterlebnissen (z. B. die Fälle, in, denen das Sterben nahestehender Menschen gefühlt wird, auch in weiter Entfernung), und deswegen sind die Spontanfälle der Gedankenübertragung im allgemeinen ausgeprägter als die Experimente, bei denen der Affekt fehlt. Es ließe sich vermuten, daß die Intensität der Wollen einer radiierenden Energie (falls wir sie als dritte Qualität neben der Länge und der Frequenz der Wellen annehmen), sich mit dem Affekt zusammen verändert. Auf diese Weise würden sich l. und 2. nicht ausschließen. Spezifität und Stärke der Energie würden durch die Wellenintensität bedingt sein.8

3. Wenn auch für das Entstehen telepathischer Erscheinungen eine Übereinstimmung der psychischen Energie von Sonder und Empfänger mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, und wenn auch der psychische Zustand des Senders (Affekt) bei der Entstellung dieser Phänomene zweifellos eine Rolle spielt, so kann doch mit Sicherheit behauptet werden, daß der psychische Zustand des Empfängers von entscheidender Bedeutung ist. Näheres darüber werden wir bei Besprechung. des Trancezustandes ausführen.

Es bleibt aber logisch Raum für die Vermutung (nicht Behauptung), daß die psychische Energie jedes Individuums durch das Unterbewußtsein aller anderen Individuen empfangen wird, d. h. daß die Telepathie in Wirklichkeit als eine allgemeine Erscheinung existiert. Es gäbe dann eine sehr tiefe Schicht im Unterbewußtsein des Menschen, die allen Mensehen gemein ist und der Kontakt zwischen dem Bewußtsein und dieser Schicht des Unterbewußtseins wäre nur bei besonderen Bedingungen möglich.9

In diesem Falle wäre aber nur die Frage nach der Ursache des Nichtineinanderfließens der psychischen Tätigkeiten verschiedener Individuen sozusagen von der Peripherie mehr ins Zentrum der einzelnen Persönlichkeit verlegt und die Probleme der Differenzierung und des Einflusses der Affekte wären auch an der neuen Stelle dieselben. Entweder sind es die äußeren Tore oder die innere Tür, die die Seelengemächer einer Persönlichkeit, von den anderen abschließen.

20. Es erhellt immer mehr, daß die Abgeschlossenheit der geistigen Bereiche der verschiedenen Individuen als ein komplizierterer und höherer Zustand in der Entwicklung der Arten entstellen mußte. Die Telepathie ist dann nach unserer Auffassung eine Urform der Gedankenvermittlung. Je mehr sieh eine Art entwickelt, desto mehr sondert sich das einzelne Lebewesen als geistiges Ich von der Umwelt ab.

Die Migration der jungen Vögel, die in die Heimat der Eltern fliegen; die Gesamtarbeit der Ameisen oder Bienen, die ein mächtiges Werk nach gemeinsamem Plan auszuführen verstehen und ähnliche Beispiele sprechen für nicht scharfe Absonderung des geistigen Lebens eines Tier-exemplars vom anderen. Sie haben sozusagen eine gemeinsame Seele. Kann Geruch- oder Gehörsinn so entwickelt sein, um den Flug eines Käfermännchens zum Weibchen über viele Kilometer verständlich zu machen? Sind das nicht möglicherweise Beispiele von Telepathie in der Tierwelt? Der Flug der Brieftaube zu ihrem Herrn bedeutet vielleicht auch eine Gedankenübertragung und zwar zwischen verschiedenen Arten von Lebewesen.10
Diese Urform der gegenseitegen Wirkung zeigt sich, wie in der Tier-herde, so auch in der Menschenherde, d.h. in der Masse.11 Deswegen ist für die Ziele des Kultes und auch der spiritistischen Séancen die atavistische Form der Herde (spiritistische Zirkel) die günstigste Voraussetzung.

21. Die Sinnesorgane sind Einrichtungen, die dem Individuum die Möglichkeit geben, ohne Telepathie, d. h. ohne Einstellung seines Empfang-nervenzentrums auf einen direkten Kontakt, mit einem anderen Individuum in Verbindung zu treten. Die Hauptmittel der Gedankenübertragung durch die Sinne sind Zeichen (Mimik und Schrift) und Klänge (Sprache, Intonation, Musik). So haben die Sinnesorgane eine Vermittlerrolle, wenn sie auch wie der Zentralnervenapparat individuell abgestimmt sind (für den einen unsichtbare Grenzteile des Spektrums sind noch sichtbar für den anderen). Die Differenzierung scheint hier jedoch eine viel geringere zu sein, indem die Sinnesorgane immer auf mittlere Größen angelegt sind (gelbes Licht sehen beide Individuen des obigen Beispiels).

22. Für Gedankenübertragung auf Entfernung haben die künstlichen Transformatoren (Telegraphie, Radio), unvergleichliche Vorteile gegenüber der telepathischen Gedankenübertragung, die daher keine praktische Bedeutung haben kann12. Aber in der Theorie sind andere Ausnutzungen der Tatsache, daß Empfinden und Vorstellen energetische Prozesse sind, denkbar, die, einmal in die Praxis umgesetzt, von größter Bedeutung werden könnten.
Ein Blinder (bei intaktem Sehzentrum im Gehirn), sollte sehen können, wenn eine Möglichkeit gefunden würde, mit Hilfe künstlich geleiteter Energie, die der psychischen adäquat sein müßte seinem Empfangsnervenzentrum die nötigen Impulse zu geben. daßelbe Prinzip weist auch auf die theoretische Möglichkeit, einem zu vermitteln. Das bedeutet: Im Falle einer Zerstörung des formators (der Sinnesorgane), sollte man die Energie künstlich transformieren, so daß sie von den Nervenzentren empfangen werden könnte.
In der Theorie ist auch eine automatische Gedankennotierung durch einen künstlichen Apparat, der die psychische Energie empfangen kann, denkbar, sozusagen eine Photographie der Gedanken, ebenso ein automnatisches Gedächtnis, d. h. ein Verfahren, das die Gedanken aufnimmt und sie dem Gehirn jederzeit direkt wieder vermitteln kann.

23. Und so kann ein Individuum, das die Fähigkeit hat, sein Empfangsnervenzentrum auf die psychische Energie eines zweiten Individuums einzustellen oder seine Empfangsfähigkeit zu erweitern, die Gedanken eines anderen Individuums erfahren. Es wäre sogar schwer vorstellbar, daß die psychische Abgeschlossenheit der Individuen so absolut sein sollte, daß nirgends und niemals jemand außer dem Sender selbst, ausgesandte Energie empfangen könnte. Falls zufällig ein Individuum eine psychische Energie aussendet, die von einem anderen empfangen werden kann, so würde der letztere nicht unterscheiden können zwischen seinen eigenen Gedanken und Gedanken eines anderen. Das kann auch manche merkwürdige Fälle erklären, in denen ein- und derselbe Gedanke gleichzeitig bei verschiedenen Menschen auftritt, oder zwei oder mehrere Erfinder zur selben Zeit die gleiche Erfindung machen.

24. Je weniger das Empfangsnervenzentrum von den Reizen der Sinnesorgane beansprucht wird, desto offener ist es für den unmittelbaren Empfang der psychischen Energie, die von außen, kommt, oder aus dem unterbewußten ihm zuströmt. Das Sensorium verhält sich ähnlich wie unsere Pupille, die sich bei Reizung durch grelles Lieht zusammenzieht und in der Dämmerung, wenn die Lichtreize ihre Stärke verlieren, sich wieder öffnet. Im Zustand von Schlaf und Hypnose13, in dem die Wirkung der Sinniesreize abgeschwächt ist und das Unterbewußtsein dominiert, tritt eine Tendenz zur Aufhebung der individuellen psychischen Abgeschlossenheit auf (telepathische Träume). Bei vollem Ausbleiben der Sinnesreize wäre ein Wiederauftreten der atavistischen Wahrnehmungsformen zu erwarten. Gibt es nun Klinische Beispiele von voller psychischer Ausschaltung eines Sinnes? Es sind die Fälle von hysterischer Blindheit oder Taubheit. Es sind die Fälle von suggerierter Blindheit, Taubheit, Analgesie und dergleichen. So verstehen wir den Trancezustand als einen Zustand, in welchem der Somnambule sich von allen Sinnesreizen absperrt und so zu dem atavistischen Zustand kommt, in welchem die Sinnesorgane, noch nicht entwickelt waren, damit wieder die atavistische Fähigkeit erlangend, die Reize unmittelbar zu empfangen.14 Die Wahrnehmungen werden nicht mehr von Reizen (Sinnesorganen) diktiert, sondern von den Assoziationszentre.

III.

25. Psychisher Mediumismus (Telepathie) und physikalischer Mediumismus würden auf verschieden Dispositionen des Mediums beruhen:

1. Auf derjenigen zur Erweiterung der Empfangsmöglichkeit seines Nervenzentrums (physikalischer Mediumismus.)

2. Auf derjenigen zur Änderung der Qualitäten seiner psychischen Energie (physikalischer Mediumismus.)

Bei Verbindung der Fähigkeiten von psychischem und physikalischem Mediumismus in einer Person werden die sog. physikalischen Erscheinungen entsprechend der telepathischen Suggestion durch die Anwesenden, die nicht unbedigt beabsichtigt sein muss, vom Medium produziert15. Sogenannte Geister sind Projektionen der Gedanken des Mediums16, oder Gedanken eines der Anwesenden, unter dessen telepathischer Suggestion sich das Medium in diesem Moment befindet (angebliches Erscheinen von Geistern dem Medium unbekannter Verstorbener.)

26. Auf diese Weise können die Geistererscheinungen, Berührungen und andere Phänomene als Halluzinationen betrachtet werden und zwar als Halluzinationen, die mehreren Sinnen entsprechen17, und gleichzeitig bei mehreren Personen entstehen.
Aber so aufgefaßt bekommt die Halluzination eine neue Bedeutung: Sie ist keine Fiktion, ist nicht auf nichts gebaut, wie von ihr, zum Unterschied von der Illusion behauptet wird, sondern sie beruht in unserem Falle auf der Einwirkung einer fremden psychischen Energie (des Mediums) auf das Sensorium des Teilnehmers der Seance und hat ein objektives Dasein in ihrer Eigenschaft als psychische Energie.
Die angebliche Tatsache, daß die Erscheinungen des physikalischen Mediumismus gleichzeitig von mehreren Personen wahrgenommen werden, ließe vermuten, daß eineveränderung (Erweiterung) der Empfangsfähigkeit der Nervenzentren der Teilnehmer vor sich geht (ähnlich wie im telepathischen Trancezustand). Anders wäre eine gleichzeitige Anpassung des Mediums an verschiedene Personen nur unter einer Annahme, von der in dem nächsten Abschnitt die Rede sein wird, verständlich.

27. Je mehr man vertraut wird mit der Literatur, die die physikalischen Phänomene des Mediumismus behandelt, mit all ihrem pro und contra18, destoweniger wird man sich ein sicheres Urteil über die Existenz oder Nichtexistenz solcher Phänomene bilden können.19 Wir wollen nur die logischen Möglichkeiten weiter verfolgen und daran denken, daß die Welt der Möglichkeit reicher ist als die Welt der Wirklichkeit, aber auch die Welt der Wirklichkeit reicher als die Welt des Erkannten.
In den letzten Abschnitten führten wir aus, daß die Erscheinungen des physikalischen Mediumismus Halluzinationen sein könnten, die als telepathisches Phänomen zwischen Sitzungsteilnehmern und erklärt werden könnten. Von dieser Möglichkeit nicht prinzipiell unterschieden ist vom physikalischen Standtpunkt aus auch eine andere:
Wenn wir zugeben, daß bei einem abnormen psychischen Zustand wie der Trance, eine Veränderung der Eigenschaften der psychischen Energie eintritt (Wellenlänge, Geschwindigkeit, oder Transformation in eine andere Energieart), so können wir annehmen, daß diese veränderte Energie die Empfindungszonen der Sinnesorgane möglicherweise erreichen und in sie eintreten kann. Das Denken ist ein energetischer Prozess. Die psychische Energie liegt ausserhalb der Empfindungszonen der Sinnesorgane und hat physikalisches Dasein. Ist es nun theoretisch nicht denkbar, daß etwas, was physikalisches Dasein hat, bei bestemmten Beingungen in den Bereich der Zonen der Sinnesempfindungen eintreten kann (Betrachte Abschnitt 6)? Wenn Lichtenergie in psychische Energie umgewandelt werden kann, warum sollte die Möglichkeit unbedigt ausgeschlossen sein, daß die psychische Energie auch eine umgekehrte Transformation durchmachen kann? Falls in Wirklichkeit dieser theoretisch mögliche Fall existiere, so müßte man annehmen, daß ein Materialisationsmedium in einen Zustand versinkt, bei welchem eine Änderung der psychischen Energie möglich ist.20
So besteht eine dreifache Möglichkeit: Entweder befinden sich die Mitglieder eines Zirkels in einer tiefen Hypnose und ihre Vorstellungen sind Folgen von gegebenen Suggestionen;

oder die gegenseitige Anpassung der psychischen Energie des Mediums und der cerebralen Empfangsfähigkeit der Anwesenden führen dazu, daß die psychische Energie des Medium direkt vom cerebralen Empfangszentrum der Anwesenden empfangen wird; in diesem Falle würden sich die Anwesenden im Zustande der telepathischen Trancehypnose befinden,

oder die Veränderung der psychischen Energie des Mediums hat zur Folg, daß die Energie (die Phänomen) in die Grenzen der Empfindungszonen eintritt und durch die Sinnesorgane der Anwesenden empfangen wird. In letzterem Falle müßten die bekannten physikalischen Apparate (Photograph, Phonograph) diese Erscheinungen festhalten können. Aber daß Festhalten der Phänomene, z.B. durch eine photographische Platte kann auch geschehen im Falle, wenn eine (für unsere Sinnesorgane empfindbare) Materialisation nicht stattgefunden hat, da die Platte nicht nur für die sichtbaren Strahlen empfindlich ist. Die Festlegung der Möglichekeit des Photographierens der Phänomene ist sicher sehr wichting: Ein positives Resultat würde die Stelle der psychischen Energie (wenn auch anormaler) in der physikalischen Welt andeuten können. Das angebliche Erscheinen der “Extra” auf den Platte, die vom Medium photographiert werden, gehört zum selben Problem. Gerade einige Fälle des Erscheinens von “Extra” bildern lebendiger Personen auf der Platte, welche Fälle des besonders dem Medium Misstrauen eintrugen, sprechen gegen das spiritistische Dogma und könnten evetuell ähnlich wie der erwähnte Fall der Eva C. gedeutet werden (Photographieren des Gedankenbildes des Mediums).

Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus brauchen solche und auch andere mediumistische Phänomene nicht a priori abgelehnt zu werden, da der psychischen Tätigkeit ein energetischer Prozess zugrunde liegt, der, wie gesagt, bei einem abnormen psychischen Zustand wie der Trance, wohl leicht Veränderungen erleben kann.

28. Erinnern wir uns an die Folgerungen in Abschnitt 6: “Man müßte sich eigentlich wundern über die relative Stabilität der Dinge um uns herum, infolge welcher sie nicht ohne weiteres aus der Welt der Wahrnehmung herausfallen; d. h. sich nicht dematerialisieren. Teilweise allerdings ist die Mehrheit der Dinge für unsere Sinne dematerialisiert...”

Immer wenn sich die Zahl der Schwingungen oder sonst eine Eigenschaft einer Energie ändert, geschieht es unter Einbeziehung auch einer anderen Energie. Es ist aus diesem Grunde möglich, daß eine Materialisation durch einen gleichzeitigen Dematerislisationsprozess begleitet wird. Der Trancezustand ermöglicht vielleicht den Kontakt zwischen der psychischen Energie des Mediums und Körpern, vor allem seinem eigenen21, welche eben nichts anderes als Energien sind, die sich innerhalb der Empfindungszonen befinden. Wenn diese Formel auch nicht den Prozess selbst erklärt, so unterstreicht sie doch ausdrücklich die gemeinsame physikalische Natur der Gedanken als Energie und der Köpler als materialisierter Energie.

29. Hier lässt sich nun ausführen, was wir schon früher hätten verfolgen können.

Materie unterscheidet sich vom Energie dadurch, daß sie der Empfindungszone des Tastsinnes entspricht. Die anderen Sinne brauchen zu ihrer Erkenntnis die primäre Erfahrung des Tastsinnes. Man könnte sich ein Sinnesorgan vorstellen, daß die Energien als Körper, oder ein anderes, das die Körper als Energien empfindet (siehe Abschnitt 7).

IV.

30. Wir wollen nun noch eines der Grundprobleme der Psychologie berühren: Das Gedächtnis. Wir könnten in underer Betrachtung etwa so vorgehen: Die psychische Energie, die ein Resultat des Zusammenwirkens der Nervenenergie (die von der Peripherie einströmt) und der Energie der Gehirnzellen ist, verdankt ihr Entstehen den intermolekulären Veränderungen in dem Zellen der Gehirnsubstanz. Diese Veränderungen sind gleichsam Negative der ausgegebenen psychischen Energie, und in dem Molekülen fehlt das, was zur Schaffung des Gedankenbildes (psychische Energie), verbraucht wurde. So könnten die Gedächtnisengramme sehr einfach erklärt werden, welcher Begriff von der Psychologie angenommen worden ist, ohne daß die Art der Entstehung der Engramme erklärt würde. Die Engramme sind dann etwa eine neue Anordnung der Elektronen innerhalb der Atome der Gehirnmoleküle, lind die Elektronen würden im Moment der Entstehung der psychischen Energie ihre Lage wechseln. Im Gehirn werden die Zellen nicht durch neue Zellen ersetzt wie in anderen Geweben; ohne diese Eigenschaft wäre das Gedächtnis vom Standpunkt der Engrammlehre nicht erklärbar. Die psychische Energie fährt auch nach dem Moment ihrer Entstehung fort, vom Engramm aus zu radieren. Darin liegt die Erklärung für die Fälle von Telepathie vergessener Gedanken, welche Erscheinung oft zugunsten des Spiritismus angeführt wird. Man könnte sich immerhin denken, daß die psychische Energie im statu nascendi eine besondere Intensität besitzt. Damit würde erklärt, daß besonders der Moment des Entstehens der psychischen Energie (unter Affektwirkung) zusammentrifft mit den Fällen von Spontantelepathie auf große Distanzen.

Der Prozeß der Erinnerung geht auf assoziativein Wege vor sich. Ein neuentstandenes Engramm läßt durch die von ihm ausstrahlende psychische Energie, die alle Zellen im Gehirn durchdringt, ähnliche schon vorhandene Engramm stärker radiieren, gleichwie eine klingende Saite andere gleichgestimmte Saiten zum Mitschwingen bringt (auch die Kontrastassoziationen beruhen, im Grunde auf gemeinsamen Elementen22). Genügend starke Ausstrahlung würde die Schwelle des Bewußtseins erreichen. Was hindert dann aber noch, anzunehmen, daß nicht nur ein vorhandenes Engramm im selben Gehirn, sondern auch ein entsprechendes Engramm im Gehirn eines anderen Individuums unter bestimmten Voraussetzungen, von denen früher die Rede war, zu verstärkter Ausstrahlung gebracht wird, d. h. der Anfang der Assoziationskette im Gehirn einer anderen Person liegt?

31. Wenden wir uns nun noch kurz dem Versuch zu, das Gedächtnis als etwas nicht durch Engramme Bedingtes zu betrachten23. Das Gehirn würde dann nur als Schaltapparat wirken, und man müßte zu der spekulativen Betrachtung Zuflucht nehmen, daß die psychische Energie, nicht anders absorbierbar als durch das cerebrale Gewebe, in unverändertem Zustand für unabsehbare Zeit ein eigenes Dasein führe und dabei doch immer wieder vom Nervenempfangszentrum desselben Individuum absorbiert werden könnte. Müßte nicht eine so verstandene Energie einer im bezug auf die Zeitkoordinate anderen Dimensionsanordnung angehören?

Die angeblichen Fälle, in denen ein Medium Tatsachen mitteilt, die nur längst Verstorbenen bekannt waren24, waren nach der Engrammtheorie so zu verstehen, daß noch zu Lebzeiten des Verstorbenen seine Gedanken ins Unterbewußtsein anderer Menschen gelangt wären, und daß sich diese Gedanken von einem Unterbewußtsein ins andere verpflanzen, bis sie das Medium erreichten. Nach der anderen Gedächtnis-theorie, die von Engrammen absieht, müßte man sich vorstellen, daß die Gedanken des Verstorbenen im Kosmos ihre unveränderte Existenz haben.

Im einen wie im anderen Falle—im einen mehr, im anderen weniger—sind die Gedanken eines Menschen Gemeingut. Man könnte von einer allgemeinen Seele alles Lebendigen im Kosmos sprechen und von der Unsterblichkeit der Gedankenwelt eines Einzelnen.

32. Wie übertragen sich nun eigentlich die verschiedenen, oft komplizierten Gedanken durch die Energie? Geschieht es in Worten, Bildern, Symbolen, Codezeichen25? Die Frage soll uns nicht verwirren. Die Reize der äußeren Welt transformieren sich in Nervenenergie und diese Energie vermag die verschiedenen Reize in differenzierter Weise dem Gehirn weiterzugeben. So ist der gleiche Vorgang (Differenzierung der Gedankenbilder) in der psychischen Energie kein neuer und beispielloser. Das ungestörte Bewußtsein ist, wie wir schon oben ausführten (Abschnitte II, 13), gerade durch die volle Korrelation der Nervenenergie und der psychischen Energie in all ihrer Differenziertheit bedingt.26

Die Antwort muß daher lauten: Alle Formen, durch welche die Außenwelt sich dem Bewußtsein eines Individuums kundgeben kann (Bilder, Symbole, Klänge usw.), sind gleichzeitig die Formen, durch welche die Psyche eines Individuums mit der Psyche eines anderen bei entsprechenden Bedingungen in Kontakt treten kann. Daß die Telepathie nicht beschränkt ist auf irgendwelche Urformen der Übertragung (wie z. B. die symbolischen Urformen der Trauminhalte), wenn sie auch selbst eine Urerscheinung im Seelenleben ist, sieht man daraus, daß auch neu geschaffene Begriffe ebensogut auf telepathischemWege übetragen werden können.

33. Das Bewußtsein selbst ist aber eine seelische Eigenschaft, die sicher das tiefste, rätselhafteste problem der Psychologie ist. Unsere Betrachtung vermag nicht dieses Problem zu lösen, und wir scheuen uns nicht zu sagen, daß die Erklärung der cerebralen Prozesse als energetische nicht bedeutet, daß auch das Problem des Bewußtseins der physikalischen Erklärung unterliegen müße, gleichwie wir auch in der Physiologie alle Erscheinungen des Lebens auf physikalisch-chemische Prozesse zurückführen können, aber nicht das Prinzip des Lebens selbst.

Nehmen wir ein alldurchdringendes Bewußtsein an, auch ein Bewußtsein der anorganischen Materie, so würden wir uns einem Panpsychismus nähern.

34. Läßt sich aber auch nur etwas Näheres über die physikalischen Eigenschaften der psychischen Energie aussagen?

Ist es eine Strahlenenergie27, entstanden aus intermolekulären Veränderungen im Gehirngewebe? Diese Energie muß ein grosses Durchdringungsvermögen für unsere Atmosphäre haben.

Man könnte die Vermutung aussprechen, daß die psychische Energie nicht in der Reihe der bekannten strahlenden Energien steht (was aber zum vornherein zu bejahen kein unabweisbarer Grund vorliegt), bei welcher Reihe sich an den bisher bekannten Grenzen die kurzwelligen Millikanstrahlen und die langsam oszillierenden Wellen befinden, und daß die psychische Energie einer anderen Skala angehört. Eine solche Vorstellung könnte auch die Vitalisten mit der Auffassung des psychischen Prozesses als eines energetischen aussöhnen. Es ließe sich auch annehmen, daß die Schwingungen der Energien, die in jener anderen Skala stellen, einer  komplizierten Dimensionsanordnung angehören28. Dafür spricht jedoch nur die besondere merkwürdige Eigenschaft aller psychischen Erlebnisse als ob gerade mit dem Attribut der Zeit verbunden zu sein, aber auch die andere vermutele Eigenschaft der psychischen Gebilde von dem Lauf der Zeit nicht betroffen zu sein und ihr gegenüber ein scheinbar unabhängiges Dasein zu führen (Abschnitt 31). Diese Vermutung würde bedeuten, daß Vergangenheit und Zukunft der Gegenwart innewohnen.

Damit haben wir uns einem Gebiet genähert, in welches beim heutigen Stand der Wisseinchaft nur mit Hilfe der logischen Konstruktion weiter einzudringen gefährlich ist


Referenzen

  1. Dies ist auch der Gesichtspunkt, unter dem die Schriftleitung den Ausführungen des Herrn Dr. Velikovsky in dieser Zeitschrift Raum gewährt, ohne dazu irgendwie Stellung zu nehmen. Gaupp.

  2. Bei einer intensität, welche die Reizschwelle erreichen lässt.

  3. Die Sinnesorgane sind hier als ein Teil der Nervenleiter gedacht.

  4. Bleuler, Lehrbuch der Psychiatrie, S. 46: “Oft erkennen die Patienten die Halluzinationen . . . als etwas Besonderes, an mancherlei Merkmalen: Anderer Inhalt, neue nie erfahrene Empfindungen, zu deren Bezeichnung sie neue Wörter schaffen müßen.”

  5. “Nihil in intellectu quod non fuerit prius in sensu.”

  6. Siehe Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen der British Society for Psychical Research (Prof. G. Murmy, Mrs. Sidwick u. a.), auch die Arbeiten von Riebet, Wasiliewsky, U. Tischner, Pagenstecher, C. Brück, Prince, Mac Dougall u. a. Schon früher betrachteten die Philosophen Hegel, Schelling, Schopenhauer, Fichte (auch von den modernen W. James, Driesch, Oesterreich u. a.), sich auf spontane Fälle der Gedankenübertragung stützend, die Telepathie als Tatsache.

  7. Oder sonst eine kosmische Fernwirkung, wie sie auch der Magnetisrmus darstellt.

  8. Es ist nicht überflüssig zu bemerken, daß der Einwand von der Unmöglichkeit der physikalischen Erklärung der Gedankenübertragung auf Distanzen, der sich auf das Gesetz stützt, daß die Kraft einer Energie umgekehrt proportional ist dem Quadrat der Entfernung, nicht stichhaltig ist. Für die Übertragung der Strahlenenergie ist bei genügend empfindlichem Empfänger (und als solchen denken wir uns das Gehirn), nicht so sehr die Entfernung als die Durchdringungsfähigkeit entscheidend.

  9. Konstamm z. B. glaubte, daß es ihm in Tiefenhypnosen manchmal gelang, beim Hypnotisierten eine tiefe Schicht des Unterbewußtseins zu erreichen, die inindividuell ist (,,ich-freie Schicht” ). Dieses Unterbewußte ist nicht identisch mit dem “kollektiven. Unbewußten” von C. G. Jung, der, wie auch andere unabhängig von ihm, sich eine Erbübertragung von einigen psychischen Inhalten vorstellt.

  10. Die Beobachtung, daß die Tauben bein Überfliegen von Antennen ihren Orientierungssin verlieren, würde der Auffassung der physikalischen Grundlage der Telepathie entsprechen.
    Für unsere Auffassung sprechen auch die positiven Versuche von Bechterew: Über Teleipathie zwischen. Mensch and Tier (Hunde), Z. Psychother. u. med. Psychol.8.

  11. Es ist noch eine Frage, ob mit Suggestion und Nachahmung allein die Erscheinungen der Massenpsychologie erklärt werden können.

  12. Mit Ausnahme vön bestimmten forensischen Fällen.

  13. Der Hypnotisierte folgt im allgemeinen den mündlich oder schriftlich ausgesprochenen Wünschen des Hypnotiseurs. Er führt sie nach seiner Auffassung aus, auch fehlerhaft, falls er den Wunsch des Hypnotiseurs nicht riehtig verstanden hat. Beim Hypnotisierten werden Vorstellungen hervorgerufen, die der Suggestion entsprechen, d. b. er folgt anstatt eigenen Gedankenbildern dem Assoziationen, welche die Worte des Suggestors in ihm hervorgerufen haben.
    Nur in einigen Fällen tiefer Hypnose geschieht eine Gedankenübeirtragung direkt in das Empfangsnervenzentrum (telepathische Gedankenübeirtragung), indem nämlich die Grenzen der Empfangsfähigkeit des Mediums erweitret sind (s. z. B. Heyer in: Birnbaum, Psychische Heilmethüden: Trancehypnose).

  14. Vermutlich beruhen auch die Phänomene, die aus öffentlichen Vorführungen des Gedankenlesens oder Hellsehens bekannt sind, auf telepathischer Hypnose. Daß solche Fälle keine Hellseherei sind, als was sie ausgegeben werden, lässt sich dadurch beweisen, daß man dem Hypnotiseur falsche Angaben macht, die sofort vom Medium auf der Bühne wiederholt werden. (Die Erklärung dieser Phänomene durch Ventroloquismus ist sehr unwahrscheinlich). Theoretisch kann man aber die Möglichkeit des Hellsehens nicht ablehnen, da auch die Gegenstände eine Energie ausstrahlen können (Rutengänger). Aber die Mehrzahl der Fälle, die man durch Hellseherei zu erklären versucht, und die psychometrischen Versuche, die kein neues Prinzip darstellen, können am einleuchtendsten durch Telpathie erklärt werden. Auch für die Telepathie ist in keinem Fall, worauf übrigens schon der Begriff selbst hinweist, die Anwesenheit des Senders im Seanceraum notwendig. Schon öfters wurden aber Fälle, bei denen der Sender abwesend war, als Hellseherei gedeutet.

  15. Die unbeabsichtigte Suggestion kann auch von Abwesenden kommen; jedech von Anwesenden, die sich im leicht begreiflichen Affekt befinen, ist die telepathische Suggestion viel eher zu erwarten.
    Über die Rolle der Suggestion seitens der Anwesenden auf das Medium in spiritistischen Sitzungen, siehe die Werke von Flournoy.

  16. “A remarkable form of of mediumship is crystal gazing, where the pictures are actually visible to the eye of the sitter. They did not appear to be relevant to any past or future event, but consisted of small wies” (Conan Doyle ). In seiner “History of Spiritualism” erzählt Conan Doyle, ohne sich über die Bedeutung seiner Mitteillung klar zu sein, daß ein englisches Medium, welches nicht mystisch veranlagt war, etwas ähnliches wie Kinobilder harmlosen Inhalts in den Seancen vorführte.
    Von diesem Standpunkt aus kann man auch den Fall von Eva C. verstehen, die en einer Sitzung in Paris ein Bild, das kurz vorher in der Zeitung “Le Mirroir” abgedruckt war, vorzeigte, wobei auch die Überschrift der Zeitung zu sehen war. Diese könnte natürlich ein Betrug sein, kann aber gerade als Wiedergabe von Gedächtnisbildern gedeutet werden.

  17. So auch bei Geisteskranken. “Die Halluzinationen der verbinden sich häufig. Man sieht und hört einen Menschen und .Wirkung” (Bleuler: Psychiatrie, S. 98).

  18. Siehe z. B. die Polemik im “Dreimännerbuch” , herausgegeben von Prof. M. Defwir und im sog. “Siebenmännerbuch”.

  19. Crooks, Zöllner, Weber, Butlerow, Flammarion, Flournoy, Lombroso, Lodge, Richet, Bleuler, Driesch sind einige wenige aus der Reihe der Naturwissenschaftler, die sich im positiven Sinne über die Existenz der Phänomene des physikalischen Mediumismus ausgesprochen haben. Flournoy sagte über das ganze Problem des Mediumismus: “Den Phänomenen der anormalen Psychologie gegenüber ermutigt und rechtfertigt nichts die spiritistisch-okkultistischen Deutungen der einen mehr, als die Hartnäckigkeit der anderem, mit der sie die Wirklichkeit der Tatsachen verkennen”.

  20. In der Apparat von Teremin haben wir die Materialisation eines Klanges. Sie entsteht infolge der Differenz zwischen der Zahl zweier einander entgagengesetzter Schwingungen. Auch in dem Röntgenstrahlen haben wir ein Materialisationphänomen, allerdings im Prinzip ein anderes. Ein Teil der Energie ändert sich unter dem Einfluss eines Widerstandes und materialisiert sich in Form von kleinsten Partikeln. Die Röntgenstraglen können, wie schliesslich alle Strahlen, bestimmte Körper durchdringen. (Die Behauptung des mediumistischen Apports ist allerdings auf zu wenig Beweismaterial gestützt.)

  21. Ostwald folgte einem ähnlichen Gedanken, indem er schrieb: “Nimmt man nämlich an, daß die Menschen, oder gewisse Menschen (Medien) fähig sind, einen Teil der Energie, die sie in Gestalt von chemischer Energie in ihrem Körper besitzen und in bekannter Weise druch die Muskeln in mechanische Energie transformieren können, auch derart zu transformieren vermögen, daß sie den Körper verlässt und sich an anderen, willkürlich gewählten Stellen betätigt, so hat man eine theoretische Protothese für die Erklärung der meisten derartigen Phänomene”.

  22. Forel vermutet bei der Diskussion der telepatischen Erscheinungen einen ähnlichen Prozeß.

  23. Bergson, Matiere et Mémoire.

  24. Die Encyclopedia Britannica 13th edition, ,,Psychical Research” (W. H. Salter); ,,the subject matter of the massage which is often appropriate to the supposed communicator, suggests at least some survival of memory.

  25. R. Tischner, Telepathie und Hellsehen.

  26. Der Unterschied der Medien (Nervenfasern oder Atmosphäre) ist für das Differenzierungsvermögen der Energien kein prinzipieller.

  27. Gurwitsch hat verschiedene pflanzliche und animalische Zellen (Blut von Frösehen, Ratten, Muskeln in Kontraktion, Neoplasmen, Corneaepithel,) als Strahlungsquellen, die eine sog. “mitogenetische Induktion” herverrufen, erkannt. Diese Strahlen gehören in dem Bereich der ultravioletten Strahlen und haben nach Gurwitsch eine Wellenlänge von 1990-2370 Angström. Reiter und Garbor kamen für das mitogenetische Gebiet auf eine Wellenlänge von 3340-3650 Angström.
    S. auch Hans Berger, Elektroncephalogramm des Menschen (Arch. Psychiatr. 1929). Bei Reizung der peripheren Sinnesorgane, z. B. des Auges durch grelle Belichtung, tritt eine starke Stromsehwankung in dem gegenüberliegenden Occipitallappen auf. (Nervenenergie?)
    (Ich denke, daß is sich lohnen würde, die Experimente Bergers bei Epileptikern anzuwenden. Der blitzartige Beginn eines epileptischen Anfalles erinnert sehr an die Wirkung eines Kurzschlusses. Die Narben in der Gehirnsubstanz und auch Fremdkörper könnten wohl einen Kurzschluß verursachen. Es wäre sodann weiter zu experimentieren über die Möglichkeit des Ableitens der eventuellen starken Stromschwankungen bei Epileptikern. Dies soll als präliminäre Mitteilung gelten.)
    Hier gehe ich nicht auf die verschiedenen Versuche “cerebrale Emanation” zu entdecken ein. Ich unternahm die vorliegende Arbeit nicht als eine physikalisch-experimentelle Studie, sondern als eine weltanschauliche Betrachtung.

  28. Diesem Gedankengange folgend wäre es richtiger, die Welt der psychischen Gebilde als 3-, 2-, 1-dimensional gegenüber der Dinge, die 4-dimensional ist, zu betrachten. In der Parapsychologie aber war schon gelegentlich über 4-dimensional Raum der okkulten Phänomene im Gegensatz zu der 3-dimensionalen Welt der Dinge manche Vermutung ausgesprechen.

 


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